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Räum- und Streupflicht
Diese Ansprüche haben Passanten
Wer wann Räum- und Streupflichten trägt und welche Ansprüche Passanten bei Unfällen haben, sind Dauerthemen. Zuletzt hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) erneut damit befasst: Im Mittelpunkt standen prozessuale Beweisfragen.
Im konkreten Fall stürzte die 80-jährige Klägerin im Februar 2021 auf dem Bürgersteig vor dem Haus des beklagten Eigentümers und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Sie behauptete, es habe bei Temperaturen um null Grad allgemeine Glätte geherrscht. Der Bürgersteig sei vereist gewesen. Als sie die Glätte bemerkte, wollte sie die Straßenseite wechseln, sei dann aber gestürzt.
Land- und Oberlandesgericht hatten die Klage abgewiesen. Die Angabe der Temperatur reiche nicht aus, um eine schuldhafte Verletzung der Streupflicht schlüssig darzulegen. Zudem habe die Klägerin die Eisfläche nicht betreten müssen, sondern hätte auf den gegenüberliegenden Bürgersteig ausweichen können. Damit habe sie ihre eigenen Sorgfaltspflichten erheblich verletzt, sodass ein etwaiges Verschulden des Hauseigentümers nicht ins Gewicht falle.
Der BGH mit seinem Urteil vom 9. Juli 2024 (VI ZR 357/24) hob diese Entscheidungen auf und verwies die Sache an das Oberlandesgericht zurück. Die Richter betonten, dass die Anforderungen an den Nachweis einer „allgemeinen Glätte“ nicht überspannt werden dürfen. Ob die Eigentümerpflichten verletzt wurden und ob ein Mitverschulden der Klägerin überwiegt, muss nun erneut geprüft werden.
Räum- und Streupflicht
Die Pflicht zum Räumen und Streuen der Gehwege vor einem Gebäude ergibt sich für Eigentümer regelmäßig aus den Landesstraßenreinigungsgesetzen in Verbindung mit den kommunalen Straßenreinigungssatzungen. Diese enthalten in der Regel die Pflicht für Anlieger, die Gehwege sowie teilweise auch Fahrbahnen von Schnee, Eis und Laub zu befreien und gegebenenfalls zu streuen. Die Zeiten variieren je nach Satzung, häufig gilt eine Pflicht zwischen 6 und 22 Uhr.
Dabei gilt: Gehwege müssen nicht völlig schnee- und eisfrei sein. Es genügt, wenn in zumutbarem Umfang geräumt und gestreut wird. Eigentümer müssen also nicht nach jedem Schneefall sofort tätig werden, sondern im Rahmen des Erforderlichen und Zumutbaren.
Diese Pflicht können Eigentümer mietvertraglich auf ihre Mieter übertragen. Dann trifft diese die praktische Räum- und Streupflicht. Allerdings bleibt der Eigentümer weiterhin in der Verantwortung: Er trägt eine Organisations- und Kontrollpflicht. Er muss die Übertragung wirksam gestalten und auch überwachen, dass seine Mieter ihren Pflichten nachkommen. Der Eigentümer kann aber auch einen professionellen Winterdienst beauftragen. Die Kosten dafür können als Betriebskosten auf die Mieter umgelegt werden.
Pflichten auch auf eigenem Grundstück
Auch auf dem eigenen Grundstück gilt die Verkehrssicherungspflicht etwa dann, wenn Paketboten, Handwerker oder Besucher das Grundstück betreten. Kommt es zu einem Sturz, stellt sich die Frage nach Schadensersatz. Grundsätzlich haftet der Eigentümer, wenn er seinen Räum- und Streupflichten nicht nachgekommen ist, wegen einer Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht. Er muss dann unter anderem Behandlungskosten, Verdienstausfall oder Schmerzensgeld ersetzen.
Allerdings gilt im Prozess: Der Geschädigte trägt die Darlegungs- und Beweislast. Er muss beweisen, dass eine konkrete Pflichtverletzung vorlag, also nicht oder nicht ausreichend geräumt oder gestreut wurde.
Mitverschulden des Gestürzten
Auch ein Mitverschulden des Gestürzten kann die Haftung mindern. Dies gilt insbesondere dann, wenn er eine erkennbare Eisfläche bewusst betritt und sich dadurch einer erkennbaren Gefahr aussetzt. Das aktuelle Urteil betont jedoch, dass die Anforderungen an der Darlegung der Kläger nicht überspannt werden dürfen: Bereits der Hinweis auf Temperaturen um den Gefrierpunkt in Verbindung mit einem Beweisangebot (etwa ein meteorologisches Gutachten oder Zeugen) kann genügen, um eine Beweisaufnahme über die Pflichtverletzung zu eröffnen.
Ein vollständiger Haftungsausschluss für den Eigentümer kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist dies nur dann der Fall, wenn das Verhalten des Gestürzten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit geprägt ist. Ein klassisches Beispiel: Wer „bewusst und ohne Not“ eine spiegelglatte Fläche betritt, um sein Auto zu holen, handelt in hohem Maße sorglos. Doch selbst in solchen Fällen hat der BGH ein völliges Zurücktreten der Eigentümerhaftung abgelehnt, weil auch der Räum- und Streupflichtige in erheblichem Maße sorglos war.
Die Mindestvoraussetzung für die Annahme einer „schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit“ ist, dass sich der Geschädigte einer von ihm erkannten erheblichen Gefahr bewusst ausgesetzt hat. Für die Frage, ob und in welchem Umfang ein Mitverschulden vorliegt, trägt dabei regelmäßig der Eigentümer beziehungsweise Schädiger die Darlegungs- und Beweislast.
Kommentar von Inka-Marie Storm, Chefjustiziarin
„Eigentümer sollten ihre Räum- und Streupflichten ernst nehmen, die Übertragung wirksam organisieren und die Ausführung kontrollieren. Eigentümer können sich auch nicht ohne Weiteres auf ein Mitverschulden der Gestürzten berufen, um aus der Haftung herauszukommen. Selbst wenn sich der Passant nicht optimal verhält, bleibt es dabei: Die Verletzung der Räum- und Streupflicht begründet regelmäßig eine Mitverantwortung des Eigentümers.“







